Panoramaaufnahme des Plateosaurier-Dioramas im Museum am Löwentor

Über uns

Informationen rund um das Museum

Das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart steht in der Tradition der 1791 gegründeten Naturaliensammlung. Diese geht ihrerseits auf die herzogliche Kunstkammer von 1600 zurück. Dank des vorausschauenden Aufbaus der Sammlungen kann das Museum heute auf eine der bedeutendsten naturwissenschaftlichen Kollektionen Europas verweisen. Diese wertvollen Archive des Lebens und der Artenvielfalt bilden die Basis für die vor Ort zu leistende biosystematische Forschung. Sie sind aber auch Voraussetzung für die vielfältige Ausstellungstätigkeit des Museums. Unter diesen beiden Aspekten - Forschung und Präsentation - erfahren die Sammlungen auch heute kontinuierliche Erweiterung. Die Verbindung von naturkundlicher Forschung und breit gefächerter Wissensvermittlung durch vielfältige Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit ist das Kennzeichen des Museums für Naturkunde.

Imagefilm zum 225-jährigen Jubiläum des Naturkundemuseums Stuttgart

Bildausschnitt Antilopenkopf mit Vogelskelett im Hintergrund

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Museumsgeschichte im Detail

Von der herzoglich-württembergischen Kunstkammer zum Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart

Die Wurzeln des Stuttgarter Naturkundemuseums reichen weit in die Geschichte zurück. Die herzoglich-württembergische Kunstkammer beherbergte im 16. Jahrhundert nicht nur Kunstwerke und Reliquien, sondern auch vielerlei Kuriositäten aus dem Naturreich, die den Grundstock des heutigen Museums bilden.

Ein Schädelrest mit Geweihteilen eines fossilien Riesenhirsches aus dem Stuttgarter Raum, versehen mit der Jahreszahl 1600, stammt noch aus der Zeit der herzoglichen Kunstkammer und zählt im Museum am Löwentor zu den ältesten Exponaten.

Die Vielfalt der verschiedenen Objekte spiegelt sich im ältesten Inventarbuch aus dem Jahre 1654 wider. Es trägt die Überschrift: "Inventarium über die Fürstl. Kunst Cammer allhie zu Stuttgarten"

Einige Kostproben aus dem Inventar:

  • "fünf Schlangenzungen von Malta" - für Schlangenzungen hielt man die Zähne fossiler Haie
  • "Regenbochgenschüsselchen" - es handelt sich um kleine schüsselförmige Goldmünzen der Kelten
  • "Bezoar, oriental." - Eingeweidestein der in Persien heimischen Bezoarziege
  • "Einhorn" - die Stoßzähne vorzeitlicher Elefanten hielt man für die Hörner des Fabeltieres Einhorn. Sie dienten wie die Bezoarsteine als Heil- und Kräftigungsmittel
  • "Magnetsteine" das Mineral Magnetit

Die wahllose Auflistung der Kuriositäten zeigt, dass man zur damaligen Zeit eine systematische Ordnung noch nicht kannte. Dieses Inventarbuch umfasste lediglich 43 Seiten, denn im dreißigjährigen Krieg fiel fast der gesamte Besitz des Herzogs Eberhard III. (1633 - 1674) der Zerstörung und Plünderungen zum Opfer. Doch sorgten großzügige Erbschaften und Spenden bald wieder für einen Zuwachs. Einfachstes Ordnungsprinzip war, dass gleichartiges Material in entsprechend gekennzeichneten Schränken aufbewahrt wurde. Durch die Fortschritte in den Naturwissenschaften begann man im 17. und 18. Jahrhundert allmählich die Sammlungen nach zeitgemäßen wissenschaftlichen Ordnungssystemen zu gliedern (Linné 1758, Wallerius 1778).

Ende des 18. Jahrhunderts stellte man die Weichen für die Eigenständigkeit des Naturalienkabinetts. Mit der Ernennung von Dr. Carl Friedrich Kielmeyer im Jahre 1790 wurde dem bisherigen alleinigen Leiter Johann Friedrich Vischer ein Mitarbeiter zugeteilt, der ausschließlich für die Ordnung der Zoologische Sammlung zuständig war.

Damit leitete der damalige Regent Herzog Carl Eugen (1744 - 1793) eine Neuorganisation der Sammlungen ein. 1791 fiel die Entscheidung das Kunst- und Naturalienkabinett in vier Teilbereiche (Zoologie, Mineralogie inklusive der Paläontologie, Botanik und Kunstkammer) zu gliedern. 1791 ist gleichzeitig das Geburtsjahr des Naturkundemuseums. Hauptaufgabe der vier Kustoden, früher auch "Aufseher" genannt, war die Ordnung der Sammlung nach der neuesten wissenschaftlichen Systematik, Anlage neuer Inventarbücher, Inventarisierung der Objekte und Ausscheidung minderwertiger Objekte. Allerdings waren diese "Aufseher" nur nebenamtlich tätig; hauptberuflich waren sie Professoren in der Hohen Carls-Schule, Studienräte oder Ärzte. 

Durch die Auflösung der Hohen Carls-Schule im Jahre 1794 verlor das Naturalienkabinett bald wieder seine Aufseher. Kielmeyer wurde nach Tübingen versetzt; dort erhielt er einen Lehrauftrag für Chemie, Botanik und Pharmazie. Sein Nachfolger, der Hofmedicus Johann Autenrieth, war nur kurz tätig und beklagte gleich zu Amtsantritt den desolaten Zustand der zoologischen Sammlungen. Auch Autentrieth wurde kurze Zeit später als Professor nach Tübingen berufen.

1797 legte Herzog Friedrich Eugen (1795 - 1797) per Dekret das Naturalienkabinett wieder in eine Hand. Der Hofmedicus Carl Christoph Friedrich Jäger wurde Verwalter der Bereiche Zoologie, Mineralogie und Paläontologie.

Wer durfte zur damaligen Zeit das Naturalienkabinett besuchen? 

Interessant sind Berichte auswärtiger Besucher, die über die Unterbringung, Qualität und Besichtigung der herzoglichen Sammlungen Zeugnis ablegen. Heinrich von Struve, ein in russischen Diensten stehender Legationsrat am württembergischen Hof, hatte mehrmals von 1801 bis 1805 die Gelegenheit die Naturaliensammlung zu besichtigen. Er schreibt u.a.:

"Das Kurfürstliche Naturalien-Cabinett ist im alten Schlosse in einem hohen geräumigen Saale in Glasschränken aufgestellt. Der als Arzt und Naturforscher gleich thätige und erfahrne Hofmedicus Jäger hat die Aufsicht über dasselbe, und erleichtert den Freunden der Natur gerne den Zutritt zu dieser bedeutenden, die drei Reiche der Natur umfassenden Sammlung".

"Sicher darf man dann auch von den liberalen Gesinnungen des erhabenen Landesherrn hoffen, dass dieses Cabinett, um den Zweck der allgemeinen Belehrung zu entsprechen, gemeinnützig gemacht werde, wozu besonders an festgesetzten Tagen erlaubte freie Eintritt für Einheimische und Fremde beitragen würde".

Zur damaligen Zeit waren die Sammlungen Privateigentum des Regenten und nur ausgewählten Personen wurde unter Aufsicht Zutritt gewährt. Im Jahr 1817 erklärte König Wilhelm I. (1816 - 1864) das Naturalienkabinett zur öffentlichen Sammlung des Staates und erst mit dem Einzug in eigene Räumlichkeiten 1826 war sie wirklich öffentlich.

Im Laufe des 19. Jahrhundert wurden die Bestände beträchtlich aufgestockt. 1808 konfiszierte König Friedrich I (herzoglicher Kurfürst und König 1797 bis 1816 ) die Sammlungen der Klöster Wiblingen und Weingarten. 1819 wurde die große naturkundliche Sammlung des Tübinger Professors Gottlieb Conrad Christian Storr erworben, die die berühmte Sammlung des Frankfurter Arztes Peter Pasquay (1719 - 1777) enthielt. Durch eigene Grabungen am Cannstatter Seelberg wurden eiszeitliche Reste von Säugetieren und eine Gruppe fossiler Elefantenstoßzähne geborgen, die in Fachkreisen für Aufregung sorgte. 

Das Naturalienkabinett war in den vergangenen Jahrhunderten in den unterschiedlichsten Gebäuden in Stuttgart untergebracht: im Alten Lusthaus, im Prinzenbau, im Herrenhaus am Marktplatz, in der Hohen Carls-Schule und schließlich im Alten Schloss. 

1822 wurde endlich der Grundstein zu einem eigenen Museumsbau an der Ecke Neckar- / Archivstraße gelegt. Staatsarchiv und Naturalienkabinett waren über ein Jahrhundert lang zusammen untergebracht. Bereits 1837 musste der Neubau um ein drittes Stockwerk vergrößert werden. 1864 erfolgte ein Anbau entlang der Archivstraße, der 1912 verbreitert wurde.

Eine wesentliche Grundlage, das Naturalienkabinett als Institution zu festigen, war 1856 die Einführung von hauptamtlichen Konservatorenstellen. Nun konnten sich die Leiter voll und ganz der Naturaliensammlung widmen. Durch die erfolgreiche Arbeit der "Königlichen Naturaliensammlung" sah sich das württembergische Finanzministerium 1930 veranlasst, einen geräumigen Neubau in Planung zu nehmen.

Der Ausbruch des 2. Weltkrieges setzte diesen neuen Plänen ein jähes Ende. Im Februar 1944 wurden wertvolle Präparate bei einem Bombenangriff zerstört. Aus Sicherheitsgründen wurde daraufhin ein Teil der Bestände ins Umland ausgelagert. Im September des gleichen Jahres brannte das Museum bis auf die Grundmauern nieder, viele unersetzbare Exponate wurden ein Raub der Flammen. Nach dem Krieg war das Schicksal des Museums unklar. Bestrebungen, am gleichen Ort wieder ein Museum zu errichten, blieben erfolglos. 1950 wird die Naturaliensammlung in "Staatliches Museum für Naturkunde in Stuttgart" umbenannt. Das ehemalige königliche Landhaus Schloss Rosenstein wurde von 1950 bis 1955 für die zoologische Schausammlung und einen Teil der Zoologie ausgebaut. 1954 konnte mit dem Einzug begonnen werden. Zwei Jahre später wurden die meisten der 20 Schausäle der Öffentlichkeit übergeben. 1963/64 wurde die Arsenalkaserne in Ludwigsburg für die übrigen Arbeitsgebiete und Sammlungen als Provisorium zur Verfügung gestellt. Der Spruch, dass nichts dauerhafter sei als ein Provisorium, sollte für 20 Jahre seine Gültigkeit haben.

Professor. Dr. Bernhard Ziegler, von 1969 bis 1994 Direktor des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart, ist es zu verdanken, dass der Neubau - das Museum am Löwentor - realisiert werden konnte. Nach langjähriger Planung und Bauzeit wurde es im Dezember 1985 am Nordwestrand des Rosensteinparks eröffnet. Die einmaligen Fossilfunde aus Südwestdeutschland, das Bernsteinkabinett und der weltberühmte Steinheimer Urmenschenschädel fanden endlich ein adäquates Ausstellungsgebäude. Des Weiteren ist im Museum am Löwentor die Direktion nebst Verwaltung und Bibliothek untergebracht. Die unterirdischen Magazine beherbergen die Sammlungen der Paläontologie, Mineralogie, Entomologie, Botanik und Teile der Zoologischen Sammlung, sowie die Arbeitsräume von Wissenschaftlern und Präparatoren.

1989 wurde das Schloss Rosenstein geschlossen und 1993, rechtzeitig zur Internationalen Gartenausstellung (IGA), wurde die modernisierte und neugestaltete biologische Schausammlung der Öffentlichkeit vorgestellt.  

In den letzten Jahren hat sich das Staatliche Museum für Naturkunde wieder zu einem Besuchermagneten entwickelt. Hinter den Kulissen stellen die einmaligen Sammlungen Forschungsarchive der Naturkunde erster Kategorie dar, die von zahlreichen Wissenschaftlern internationalen Ranges genutzt werden.

Teil eines fossilen Schädel eines Riesenhirschs
Historisches Bild der Carlsschule
Die Hohen Carls-Schule in Stuttgart, bis 1794 Domizil des Naturalienkabinetts
Historisches Portrait von König Wilhelm
König Wilhelm I. (1816 -1864)
Historische Zeichnung des Fundes einer Ansammlung von Mammutstoßzähnen
Gruppe von Elefantenstoßzähnen aus der Eiszeit, die 1816 unter Beteiligung von König Friedrich bei Cannstatt geborgen wurden

Archiv

Das Naturkundemuseum Stuttgart wurde im Jahr 1791 als selbstständige Institution aus der herzoglichen Kunstkammer ausgegliedert. Seine naturkundlichen Sammlungen – Zoologie, Botanik, Paläontologie – werden seit dem 19. Jahrhundert konsequent ausgebaut. Heute umfassen sie ca. 12 Millionen Objekte. Damit gehört das Museum zu den bedeutendsten Naturkundemuseen in Deutschland.

Die Sammlungen sind als „Archive des Lebens“ Grundlage einer intensiven Forschungstätigkeit, in erster Linie zu Fragen der Biodiversität in Zeit und Raum. Das umfasst grundlegende Forschungen zur Evolution der Organismen und Ökosysteme früherer erdgeschichtlicher Epochen ebenso wie Monitoring-Programme zum Biodiversitätswandel und Artensterben. Dabei sind historische Sammlungsobjekte und mit ihnen in Zusammenhang stehende Dokumente wertvolle Informationsquellen, mit deren Hilfe sich frühere Biodiversität rekonstruieren lässt. Solche Daten sind unerlässlich, um aktuelle Entwicklungen interpretieren und verstehen zu können.

Das historische Archiv des Museums umfasst zahlreiche solche Dokumente, von denen die wissenschaftshistorisch und gesellschaftlich wertvollsten im Rahmen eines Förderprojekts der Deutschen Digitalen Bibliothek digitalisiert werden konnten. Finanziert wurde das Projekt mit Mitteln aus dem Programm NEUSTART KULTUR der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Über die Informationen zu historischen Sammlungsobjekten hinaus erschließen sie am konkreten Beispiel des Stuttgarter Museums eine für viele europäischen Naturkundemuseen typische Entwicklung vom Naturalienkabinett zum modernen Forschungsmuseum.

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